Joggst du noch oder läufst du schon?

"Ich bin kein Jogger, ich bin Läufer!" Ok... Damals wusste ich von derartigen Kategorien noch nichts. Joggen und Laufen war für mich synonym. Auch heute verstehe ich den ganzen Bohei um diese Begrifflichkeiten nicht. Jogger, Läufer, ist doch egal! Doch für viele Läufer ist der Begriff des "Läufers" eben auch an gewisse Bedingungen geknüpft. Man muss mindestens die Pace XY laufen, sonst geht man spazieren, man muss mindestens X mal die Woche laufen gehen und wer noch nie einen Marathon gelaufen ist, gehört sowieso nicht dazu. In meinen bisherigen Laufjahren habe ich schon einiges erlebt. Manches zähle ich da eher zu Laufzirkus, anderes hat mich tatsächlich weitergebracht. Aber lest selbst...
Ab wann ist man kein Anfänger mehr?
Teil 1 des Laufanfänger-Tagebuchs endete an dem Punkt, an dem ich mich für meinen ersten Halbmarathon anmeldete. Das Laufen war zu diesem Zeitpunkt bereits ein fester Bestandteil meines Lebens geworden und mehr Spaß als Sport. Heißt das also ich war kein Anfänger mehr? Hätte man mich damals gefragt, hätte ich sicher geantwortet, dass ich mich nicht mehr als Anfänger fühle. Nach der Teilnahme am Halbmarathon, sah ich das ganze schon wieder anders. Denn da fühlte ich mich ehrlich gesagt als blutige Anfängerin. Ich hatte mich zwar ganz gut vorbereitet und auch halbwegs gut trainiert. Dennoch enthielt dieses Erlebnis sehr viel mehr "Erste Male" als ich gedacht hätte.
- Ich lief das erste Mal weiter als 17 km.
- Ich geriet zum ersten Mal an meine körperliche Grenze beim Laufen.
- Ich hatte mein erstes Runner's High.
- Ich war zum ersten Mal den Tränen nah beim Laufen.
- Ich lief zum ersten Mal bei strömendem Regen.
Als ich im Ziel ankam, war ich auf der einen Seite superglücklich, auf der anderen war ich froh, dass der Lauf vorbei war und den Rest Tages habe ich tatsächlich nur auf dem Sofa verbracht. Tobi ging es da nicht anders. Am nächsten Tag hatte ich den Muskelkater meines Lebens (zumindest bis dahin). Der Gedanke an einen weiteren Wettkampf kam erstmal gar nicht auf. Ich war eher einfach nur froh "überlebt" zu haben. Ich kehrte also zurück zu meinem normalen Laufalltag, wo ich mal lief und unheimlich Spaß dabei hatte, es dann aber auch wieder schleifen ließ.

Ist wirklich immer der Weg das Ziel?
Ich genoss es erst einmal wieder einfach nur zu laufen, wann immer mir der Sinn danach stand. Ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben. Meine erste Medaille bewahrte ich in einer Glasvitrine im Wohnzimmer auf und wann immer ich sie sah, hatte ich gemischte Gefühle. Auf der einen Seite die Erinnerung an diesen furchtbaren Regen, der mich bis auf die Knochen durchnässte, an die letzten Kilometer, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten. Aber auf der anderen Seite die Freude meines Papas, als er mich kurz vor dem Ziel für die letzten Meter aufbaute und dieser unglaubliche Moment als ich die Ziellinie überquerte. Ich wusste, dass ich mich, wenn ich mich erneut einem Wettkampf stellen wollte, noch besser vorbereiten musste. Ich war weit davon entfernt, kein Anfänger mehr zu sein. All das, was ich bis dato zu wissen glaubte, war nur ein Bruchteil von dem was es übers Laufen zu wissen gab. Ich war mit einer gewissen Naivität an die ganze Sache heran gegangen. Im Nachhinein finde ich das auch garnicht schlimm und habe versucht mir eine gewisse Naivität bis heute zu bewahren. Dennoch, ich wollte mich als Läuferin weiter entwickeln. Und dazu brauchte ich mich für mich ein neues Ziel. Da ich mittlerweile, durch meine Beziehung zu Tobi, bereits ohnehin fast 50% meiner Freizeit in Mainz verbrachte, lag die Entscheidung für den Halbmarathon in Mainz nah. Mein Papa hatte dort schon die halbe und sogar die volle Marathondistanz bewältigt. Das lag für mich damals noch Lichtjahre entfernt... Tobi teilte meine Begeisterung, sich für einen neuen Wettkampf anzumelden, zunächst nicht. Ich glaube tief drin ist er wahrscheinlich doch eher der Typ, der auch gut ohne Deadlines auskommt. Schlussendlich war er dann aber mit an Bord und so konnten wir - wann immer es möglich war - wieder gemeinsam trainieren.
„Es sind nicht unsere Füße, die uns bewegen, es ist unser Denken.“
Neues Spiel, neues Glück!

An das Training für meinen zweiten Halbmarathon ging ich schon wesentlich strukturierter ran. Außerdem gab mir die Gewissheit, diese Distanz schonmal erfolgreich bewältigt zu haben, eine gewisse Sicherheit. Ich variierte mein Training nun mehr. Ich lief nicht mehr einfach nur wann immer ich es schaffte meine Feierabendrunde, sondern ich baute bewusst auch mal Treppen und Steigungen ein. Außerdem war ich auch oft im Fitnessstudio und besuchte Kurse oder machte Gerätetraining zum Ausgleich. Mittlerweile hatte ich mir durch diverse Bücher und Blogs bereits einiges mehr an Wissen angelesen und versuchte dieses bestmöglich einzusetzen. Die wichtigste Anschaffung waren allerdings: neue Laufschuhe! Nachdem ich meinen ersten Halbmarathon in 6 (!!!) Jahre alten Schuhen gelaufen war, wusste ich, dass eine gewisse Dämpfung doch nichts schaden konnte. Die neuen Schuhe fühlten sich himmlisch an und ich konnte tatsächlich ohne großes Zutun wesentlich effizienter laufen. Über den Winter zu trainieren fiel mir allerdings nach wie vor schwer. Da ließ ich das Training wieder etwas schleifen und musste daher im Frühjahr erneut Gas geben. Insgesamt fühlte ich mich im Startbereich zu meinem 2. Halbmarathon im Mai 2014 aber wesentlich besser vorbereitet als noch vor einem Jahr. Auch das Wetter meinte es diesmal etwas besser mit uns. Am Start gab es zwar eine kleine Regendusche, aber der Rest des Laufs verlief weitgehend trocken. Meine Zeit aus dem letzten Jahr konnte ich tatsächlich um satte 15 Minuten verbessern. Ich hatte mich während des Laufs viel besser gefühlt und auch die Stimmung an der Strecke war in Mainz einfach fantastisch. Nach diesem Lauf hatte ich endgültig Blut geleckt. Ich mache weiter. Das stand für mich im Zielbereich schon fest.
Die nächste Stufe erreichen
Als ich meine zweite Medaille zur ersten in die Vitrine legte, war ich immer noch ganz euphorisch. Ich wollte mehr. Ich wusste, dass mir die halbe
Distanz nach zweimaliger Bewältigung nicht mehr reichen würde. Der Gedanke an einen kompletten Marathon hatte meinen Kopf infiziert. Dennoch behielt ich meine Pläne vorerst für mich. Ich wollte
wissen ob es für mich mehr ist, als eine fixe Idee und mir war bewusst, dass ein Training für den Marathon wesentlich mehr Aufopferung erforderte als mein bisheriges Training. 42
Kilometer. Diese Zahl lag so völlig außerhalb meiner Vorstellungskraft. Ich wollte wissen wo meine Grenze liegt. Ich wollte es herausfinden. Ich persönlich würde mich nicht als extremen
Menschen bezeichnen. Der ein oder andere sieht das vielleicht anders, aber das Laufen war und ist für mich tatsächlich nie ein Extrem gewesen. Im Gegenteil. Das Laufen hat mich geerdet
und hat mir zu mehr Gleichgewicht verholfen. Beruflich wie privat.
Doppelte Länge, doppelter Spaß?
Wie das Training für meinen ersten Marathon verlaufen ist und welche Stolpersteine ich dabei überwinden musste, erfahrt ihr im dritten und
letzten Teil des Laufanfänger-Tagebuchs. Jetzt kommen aber erst noch ein paar Tipps und hilfreiche Infos für euch. Eben Dinge, mit denen ich mich in dieser Phase zwischen nicht mehr ganz Anfänger, aber auch lange noch kein Profi sein, beschäftigt habe. Je tiefer ich in das Thema "Laufen"
eingestiegen bin, desto mehr Dinge gab es, die mich manchmal auch zum Schmunzeln brachten. Vielleicht muss ich dazu sagen, dass ich nie ein besonders ausgeprägter Wettkampftyp war. Andere Läufer
sehe ich nicht automatisch als Konkurrenten an. Ich laufe vielmehr mit ihnen, statt gegen sie. Die einzige Person gegen die ich laufe,
bin ich selbst bzw. mein altes untrainiertes Ich. Daher kann ich auch nur bedingt etwas mit der Unterscheidung zwischen Joggern
und Läufern anfangen. Klar, laut Definition ist Joggen ein gemäßigteres Laufen und somit bezeichnen sich die meisten Läufer eben lieber als Läufer. Ich persönlich finde, dass der Begriff des
Läufers sich in den letzten Jahren einfach mehr und mehr etabliert hat und in meinem Umfeld ist er mittlerweile geläufiger als der des Joggers. Aber einen langsamen Läufer "abwertend" als Jogger
zu betiteln finde ich ehrlich gesagt unmöglich. Für manche von uns werden Zeiten eben nie den gleichen Wert haben wie für andere. Und das ist auch
völlig ok. Wie eich bereits in Teil 1 klar gemacht habe: Die Laufgemeinde ist unheimlich bunt und vielfältig. Und genau das liebe ich daran!
Aber wie überall auch, gibt es in der Laufgemeinde eben Themen, zu denen es unterschiedliche Auffassungen und Meinungen gibt. Daher ist der wichtigste Rat, den ich euch geben kann:
Hört euch die Meinungen an, diskutiert auch mal mit anderen Läufern, aber bleibt euch am Ende immer treu.
„Was dich als Läufer definiert ist nicht, wie schnell du bist oder wie viele Kilometer du laufen kannst. Was dich als Läufer definiert ist, dass du deine Schuhe schnürst, aus der Tür gehst und läufst.“
Laufen, aber wann?

Zeit hat man grundsätzlich immer, wenn man sie sich nimmt. Ob du lieber morgens oder abends laufen gehst ist Typsache. Als ich noch alleine gewohnt habe, bin ich im Sommer auch gerne unter der Woche, morgens vor der Arbeit laufen gegangen. Dann hab ich mich schon morgens wie ein Held gefühlt und die Leute haben mich angeschaut, als sei ich der sportlichste Mensch, den sie je gesehen haben. Das war cool! Mittlerweile laufe ich immer noch gerne am Wochenende mal morgens, aber am liebsten drehe ich meine Runden nachmittags und abends. Dann sind meine Muskeln schon aufgewärmt vom Tag und ich fühle mich zu allem bereit. Früher hatte ich Angst, dass ich morgens beim Laufen Kreislaufprobleme bekommen könnte. Mittlerweile weiß ich, dass das Unsinn ist. Wenn ich abends noch gut gegessen habe, reicht das auch noch für ein Ründchen morgens. Lange Einheiten auf leeren Magen wären allerdings nichts für mich. Das alles musste ich einfach austesten um herauszufinden, wie das Laufen am besten in mein Leben passt. Und genauso solltet ihr es machen. Lauft mal abends eine Runde und dann versucht es auch mal morgens, selbst wenn es schwer fällt. Vielleicht es am Ende ja doch genau euer Ding.
Alternativtraining

Das Alternativtraining ist bei vielen Läufern ein kontroverses Thema. Manche schwören darauf, für andere ist es verschwendete Zeit, die man doch
viel besser mit laufen verbringen könnte. Während meiner Anfangszeit als Läuferin habe ich kaum Alternativtraining betrieben. Mit der Zeit habe ich dann aber gemerkt, dass es mir sehr gut tut.
Ich habe zum Ausgleich meistens Fitnesskurse besucht oder diverse Übungen mit der Kettlebell zu Hause gemacht. Schwimmen und Radfahren bieten sich natürlich auch an.
Grundsätzlich habe ich gemerkt, dass es mir in der Zeit, in der ich eine gewisse Varianz in mein Training gebracht habe, körperlich sehr gut ging und ich schneller Erfolge wahrnahm.
Eine zu einseitige Belastung kann auf Dauer kontraproduktiv für Kopf und Körper sein. Laufen ist und bleibt natürlich meine liebste Sportart und gerade wenn die Zeit knapp ist,
entscheide ich mich meist doch eher für den Lauf als für ein alternatives Training. Dennoch bringe ich regelmäßig etwas Abwechslung in meinen sportlichen Alltag und kann das nur jedem wärmstens
empfehlen.
Planlos oder voll verplant

Trainingspläne sind - zumindest in meinem Fall - so eine Sache für sich. Ich habe es bisher trotz aller Bemühungen nicht geschafft einen Trainingsplan komplett durch zuziehen. Ja, Schande über mich! Ich halte es da eher wie Captain Jack Sparrow mit dem Kodex: "Das sind doch eher Richtlinien." Ich finde Trainingspläne unheimlich hilfreich um eine Orientierung zu bekommen wie viel man für einen Marathon oder Halbmarathon tatsächlich trainieren muss. Je wichtiger die Zielzeit für dich ist, desto mehr bist du auf einen gut strukturierten Trainingsplan angewiesen. Wo man den her bekommt? Online erwartet dich eine Fülle an unterschiedlichen Trainingsplänen. Für meinen ersten Halbmarathon habe ich mir einen Trainingsplan von Runner's World als Grundlage genommen. Allerdings sind diese Trainingspläne meist nicht auf die individuellen Bedürfnisse eines jeden Läufers zugeschnitten. Damit meine ich, dass eben kein Trainingsplan weiß, von welchem persönlichen Level du startest. Das ist auch kaum möglich. Nun kann sich natürlich auch nicht jeder einen Trainer leisten. Vielleicht hast du Glück und es gibt in deiner Stadt eine versierte Laufgruppe, bei der du dir Tipps zur Gestaltung eines individuellen Plans holen kannst. Läufer teilen ihr Wissen grundsätzlich immer sehr gerne. Ein Muss ist der Trainingsplan jedoch nicht. Mein Paps hat zum Beispiel nie nach Trainingsplan trainiert und trotzdem super Zeiten bei Marathon und Halbmarathon erzielt. Probier es einfach aus!
Regeneration

Wenn mir früher mal jemand gesagt hätte, dass ich lieber laufen gehen würde, als auf der Couch zu chillen, hätte ich wahrscheinlich laut losgelacht.
Denn gerade zu Anfang bin ich doch eher gelaufen um das schöne und zufriedene Gefühl danach zu genießen. Währenddessen hab ich das Laufen nicht wirklich genossen. Das kam erst Jahre später.
Richtige Regeneration ist sehr wichtig. Ich hatte schon Zeiten in denen ich so laufverrückt war, dass ich tatsächlich jeden Abend die Laufschuhe geschnürt habe. Auf Dauer ist das aber
eher kontraproduktiv. Wenn man Probleme hat die Füße komplett still zu halten, sollte man auf Alternativtraining ausweichen. Wenn man dann an einem Tag laufen war und am nächsten ein
paar Übungen für den Bauch oder die Arme macht, ist das völlig legitim. Die Zeit, die man wirklich zum Regenerieren braucht ist individuell ganz unterschiedlich und sie kann sich mit den
Jahren verändern. Früher musste ich mich nach langen Läufen erstmal mindestens 3 Tage ausruhen. Heute reicht mir dazu ein Tag, es sei denn es war ein kompletter Marathon. Dann gönne ich
mir auch mal eine Woche oder länger Ruhe. Wobei es ab einer Woche schon schwierig wird. Irgendwann werde ich hibbelig und vermisse das Laufen zu sehr.
"Soviel wie nötig, so wenig wie möglich." So halte ich es mittlerweile mit der Regeneration. Hört auf euren Körper und wenn ihr andauernde
Wehwehchen mit euch herumtragt, gönnt euch eine kleine Pause. Danach könnt ihr dann wieder volle Power geben.
"Egal wie weit der Weg ist, man muss den ersten Schritt tun."
So, damit wären wir nun schon wieder fast am Ende von Teil 2 angekommen. Ich hoffe die Tipps und Informationen helfen euch bei eurer Entwicklung. In
Teil 3 erwarten euch unter anderem noch weitere Tipps zu Laufstil, dem Umgang mit Verletzungen und Atemtechnik. Eines sollte man natürlich nicht vergessen: Laufen mag auf
der einen Seite ein komplexes Thema sein. Ein Sport oder ein Hobby zu dem man viel lernen und lesen kann. Trotz allem ist und bleibt Laufen, aber vor allem eins: nämlich einfach.
Egal wie viel du darüber weißt, am Ende kommt es darauf an, dass du deine Schuhe schnürst und los läufst. Alles wichtige lernst du dann schon auf dem Weg. Versprochen!
Liebste Laufgrüße
Eure Julia
Kommentar schreiben
Jochen (Dienstag, 15 November 2016 21:28)
Schön, dass du das Thema Jogger vs. Läufer angesprochen hast, mein Lieblingsthema, doch ich halte mich zurück :-) Wir haben übrigens eine kleine Laufgruppe und treffen uns jeden Dienstag, egal welches Wetter, zum gemeinsamen Intervalltraining im Uni-Stadion - weil das Intervalltraining so wichtig ist und weil es nur in der Gruppe Spaß macht.
Daniel (Mittwoch, 16 November 2016 07:49)
Sehr schöne Zusammenfassung!